Gegen die abweisende Entscheidung des BVwG erhob ich das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision, der der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) umgehend die aufschiebende Wirkung erteilte, womit eine Abschiebung der Familie vorerst unzulässig war und meine kleine Mandantin weiterhin in Österreich behandelt werden konnte.
Im Jahr 2021 hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf: „(…) Auf der Basis der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorhandenen ärztlichen Befunde, die auf eine schwere Leukämieerkrankung der Drittrevisionswerberin mit mehrfachen Rezidiven hinwiesen, eine engmaschige Kontrolle ihres Krankheitsverlaufes empfahlen und bei einem weiteren Rezidiv die in [ihrem Herkunftsstaat] nicht erhältliche allogene Stammzellentransplantation als einzige kurative Möglichkeit erachteten, um die Patientin am Leben zu erhalten, lässt sich nicht nachvollziehen, dass das BVwG sich ohne medizinischen Sachverständigen in der Lage vermeinte, ein reales Risiko der Verletzung von Art. 3 EMRK bei Rückkehr der Drittrevisionswerberin [in ihren Herkunftsstaat] verneinen zu können. (…)“ (VwGH 25.02.2021, Ra 2020/18/0018-0021).
Zwischenzeitlich musste ich Strafverfügungen gegen meine Mandant:innen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bekämpfen, obwohl ihnen im anhängigen Asylverfahren ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zukam.
Im Jahr 2022 wies das BVwG die Beschwerde neuerlich als unbegründet ab und bestand darauf, einen Befund der Pädiatrischen Hämato-/Onkologie als „Gefälligkeitsbefund“ beurteilen zu können. Die Krankheit des Mädchens könne, so das BVwG, in allen Ländern der Welt „jederzeit wieder aufflackern“. Zwar sei eine spezialisierte Leukämiebehandlung im Herkunftsstaat nicht möglich und müsse eventuell mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Mädchens gerechnet werden, allerdings sei diese nicht derart gravierend, so das BVwG.
Gegen diese Entscheidung erhob ich für meine Mandant:innen Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der dieser wiederum umgehend die aufschiebende Wirkung zuerkannte.
In der Folge verweigerte die Behörde meinen Mandant:innen rechtswidrig die Ausstellung von Aufenthaltsberechtigungskarten und musste ich auch in dieser Sache einschreiten sowie eine weitere Verwaltungsstrafe wegen angeblich unrechtmäßigen Aufenthalts bekämpfen.
Im Jahr 2023 hob der VfGH auch das im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des BVwG auf: „(…) Das Bundesverwaltungsgericht hat es damit ungeachtet seiner gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehenden Bindung an das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 2021, Ra 2020/18/0018-0021-9, abermals unterlassen, im entscheidungswesentlichen Punkt eine auf entsprechende Ermittlungen gestützte Begründung vorzunehmen, die eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses ermöglicht. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes entspricht im Hinblick auf die Beurteilung einer der Drittbeschwerdeführerin im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art. 3 EMRK nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen; sie ist einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof nicht zugänglich und daher mit Willkür belastet. (…)“ (VfGH 04.10.2023, E 883-886/2022).
Daraufhin forderte das BVwG meine Mandant:innen im nunmehr dritten Rechtsgang auf, „sämtliche bisher erstellte Befunde über die Erkrankung der bP unverzüglich an das hg. Gericht zu übermitteln!“. Aufforderungsgemäß legten wir daher sämtliche, seit dem Jahr 2015 ohnehin bereits vorgelegte Befunde noch einmal vor.
Schließlich erkannte das BVwG meinen Mandant:innen endlich den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu, übernahm allerdings sämtliche Feststellungen, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung aus den vorangegangenen – von VwGH sowie VfGH aufgehobenen – abweisenden Entscheidungen (sic!). Es hielt an deren Ende lediglich fest, dass der VfGH „jedoch diametral dazu festgestellt“ habe, welche Fehler dem BVwG in den vorangegangenen Verfahren unterlaufen waren.
Die mit dem Status der subsidiär Schutzberechtigten einhergehenden Aufenthaltsberechtigungen wurden meinen Mandant:innen von der Behörde seither antragsgemäß verlängert. Ich werde alles mir Mögliche tun, damit das so bleibt.