Entscheidungen: Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK
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Sarah Kumar2024-07-18T18:10:06+02:005. Juli, 2022|
Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Leben gemäß Art. 2 EMRK sowie im Recht gemäß Art. 3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden:
Trotz der zu diesem Zeitpunkt offensichtlichen extremen Volatilität der Sicherheitslage und der prekären Versorgungslage in Afghanistan wies das Bundesverwaltungsgericht noch Mitte November 2021 – also Monate nach der vollständigen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan – die Beschwerde einer aus Afghanistan geflüchteten Person als unbegründet ab und bestätigte damit die gegen die Person erlassene Rückkehrentscheidung. Unter anderem begründete das Gericht dies damit, dass nach der Machtübernahme der Taliban aus seiner Sicht von einer Beruhigung der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen wäre (sic!).
Der Verfassungsgerichtshof hob auch diese Entscheidung mit heute zugestelltem Erkenntnis vom 29.06.2022, E 4621/2021, auf:
„Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine Art. 2 und 3 EMRK zuwiderlaufende Anwendung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorgenommen. (…)
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes war insbesondere auf Grund der – im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts verfügbaren – Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19. Juli 2021 von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, in der Rückkehrer[:innen] nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wären (…). Angesichts der aktuellen Berichtslage, wonach die Lage in Afghanistan (nach wie vor) volatil bleibe (…), sah sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, von dieser Auffassung abzugehen (…).
Überdies erschöpft sich die Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Sicherheitslage in Afghanistan mit der Bezugnahme auf Medienberichte zu einzelnen Sicherheitsaspekten (insbesondere, wonach keine Kampfhandlungen mehr stattfänden); Hinweise auf willkürliche Kontrollen und Bestrafungen bis hin zu gezielten Hinrichtungen werden beispielsweise nicht thematisiert, obwohl sie sich in den im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichten finden.
Auch die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes in Bezug auf die Versorgungslage in Afghanistan ist für den Verfassungsgerichtshof mit Blick auf die aktuelle Berichtslage nicht nachvollziehbar (…).“
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun eine neue Entscheidung zu treffen und wird – aus heutiger Sicht – meinem Mandanten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen.