Home/Entscheidungen: Grobe Verkennung der Rechtslage
Sarah Kumar2024-07-18T18:10:26+02:0018. März, 2022|
Ein Mann aus Bangladesch brachte in seinem Asylverfahren vor, dass er homosexuell sei und in einer homosexuellen Partnerschaft lebe. In seinem Herkunftsstaat seien homosexuelle Beziehungen illegal. Es wolle sich öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung bekennen, dies hätte in Bangladesch aber Verfolgung zur Folge.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom Jänner 2021 wies dieses den Antrag auf internationalen Schutz des Mannes ab. Es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation glaubhaft zu machen. Gleichzeitig müsse, so das Bundesverwaltungsgericht, „aber auch konstatiert werden, dass der BF offensichtlich den Umgang zur homosexuellen Szene in Österreich gefunden hat und nunmehr regelmäßigen Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hat“. Den vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Länderfeststellungen war zu entnehmen, dass homosexuelle Handlungen in Bangladesch mit lebenslangem Freiheitsentzug bestraft werden können.
Die dagegen für meinen Mandanten erhobene, auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Widersprüchlichkeit und Unvollständigkeit des angefochtenen Erkenntnisses rügte, war erfolgreich:
Der Verfassungsgerichtshof behob das angefochtene Erkenntnis, da es nicht nachvollziehbar war, dass das Bundesverwaltungsgericht insbesondere angesichts seiner eigenen Feststellungen zur homosexuellen Orientierung des Beschwerdeführers jede Auseinandersetzung mit der Frage unterließ, ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund der vom Bundesverwaltungsgericht erkennbar nicht in Zweifel gezogenen Homosexualität Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre (VfGH 22.06.2021, E 641/2021, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vfgh/JFT_20210622_21E00641_00/JFT_20210622_21E00641_00.pdf).
Daraufhin erließ das Bundesverwaltungsgericht im September 2021 ein weiteres Erkenntnis. Dieses Mal erkannte es dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Es stellte fest, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner behaupteten sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht. Es lagen, so das Bundesverwaltungsgericht weiter, allerdings keine Umstände vor, „wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF in seiner Heimat aus vergangenen Geschehnissen in asylrelevanter Weise bedroht wäre.“
Auch gegen dieses Erkenntnis erhob ich Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, da dem Beschwerdeführer aufgrund der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Maßgeblich für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr sind nicht nur jene Gründe die den Beschwerdeführer zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können.
Auch diese Beschwerde war erfolgreich. Mit seiner das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts abermals behebenden Entscheidung hielt der Verfassungsgerichtshof fest: „Indem das Bundesverwaltungsgericht [] den Beschwerdeführer, der nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes wegen seiner sexuellen Orientierung einer konkret gegen seine Person gerichteten staatlich zu verantwortenden Verfolgung ausgesetzt ist [], nicht als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt hat, hat es im Hinblick auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Rechtslage grob verkannt.“ (VfGH 01.03.2022, E 3916/2021, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vfgh/JFT_20220301_21E03916_00/JFT_20220301_21E03916_00.pdf)
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.03.2022 erfolgte schließlich die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.